StartHub Hessen
27.08.2025

So prägt Hessen Ideen die hessische Start-up-Landschaft

Seit zehn Jahren besteht Hessen Ideen, eine Initiative zur Förderung von Gründungsprojekten an Hochschulen. Zum Jubiläum blickt das Leitungsteam von Hessen Ideen im Interview auf das bisher Erreichte.

Zwei stehende Fahnen mit dem Logo und Schriftzug 'HESSEN IDEEN', eine zeigt Fotos von Personen in Gesprächssituationen, die andere ist weiß mit blau-rotem Rand. © Hessen Ideen/Mario Andreya
Logo von Hessen Ideen mit stilisierten blauen und einem roten Rechteck über dem Schriftzug 'HESSEN IDEEN'
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Im Jahr 2015 wurde Hessen Ideen als landesweite Initiative zur Förderung von Gründungsprojekten an hessischen Hochschulen ins Leben gerufen. Am 16. September feiert Hessen Ideen in Marburg sein zehnjähriges Bestehen in großem Rahmen. Im Interview mit dem StartHub Hessen ziehen Annika Strauß und Jörg Froharth, die gemeinsam die Projektleitung von Hessen Ideen bilden, zum Jubiläum ein Fazit des bisher Erreichten. Zudem verraten sie, welche Start-ups ihnen nach zehn Jahren Hessen Ideen besonders in Erinnerung geblieben sind - und welche Tipps sie Gründerinnen und Gründern mit auf den Weg geben.

Liebe Annika, lieber Jörg, einmal kurz zusammengefasst: Was macht Hessen Ideen – und was macht Hessen Ideen aus Eurer Sicht besonders?

Annika Strauß: Hessen Ideen ist eine Initiative zur Förderung von Gründungsprojekten an hessischen Hochschulen. Deutschlandweit gibt es eine Initiative wie Hessen Ideen eher selten: Was uns auszeichnet, ist dass wir in einer sehr frühen Phase ansetzen – nämlich vor der eigentlichen Gründung. Wir leisten dann Unterstützung, wenn Hochschulangehörige Ideen zu Gründungsprojekten entwickeln. Wir helfen dabei, solche Ideen in ein praxisnahes Geschäftsmodell zu überführen.

Annika Strauß, Projektleitung Hessen Ideen

Was uns auszeichnet, ist dass wir in einer sehr frühen Phase ansetzen – nämlich vor der eigentlichen Gründung. Wir leisten dann Unterstützung, wenn Hochschulangehörige Ideen zu Gründungsprojekten entwickeln.

Jörg Froharth: Unser Angebot basiert auf vier Säulen. Erste Säule ist das Hessen Ideen Stipendium, ein begleitetes Frühphasen-Programm, zu dem neben finanzieller Unterstützung ein Accelerator und Netzwerk-Events gehören. Die zweite Säule ist der Hessen Ideen Wettbewerb, mit dem wir Sichtbarkeit für Gründungsprojekte an den Hochschulen schaffen wollen. Auch der Wettbewerb unterschiedet sich von klassischen Pitch-Events, da es in eher ein Ideenwettbewerb als ein Businessplan-Wettbewerb ist.

Die dritte Säule bildet das Hochschulnetzwerk von Hessen Ideen, bei dem wir alle für Gründungsthemen relevanten Akteure der hessischen Hochschulen zusammenbringen. Und als viertes gibt es das Hessen Ideen Crowdfunding, mit dem wir die Finanzierung ausgewählter Gründungsprojekte unterstützen.

Wie ist Hessen Ideen vor zehn Jahren entstanden?

Jörg Froharth: An den Hochschulen arbeiten wir schon lange daran, Menschen zu motivieren, für sich den Weg in die Selbstständigkeit auszuprobieren. Eines der Instrumente dafür sind Ideenwettbewerbe, bei denen die Leute ihre Ideen erst einmal ganz niedrigschwellig auf einer Seite aufschreiben. Vor diesem Hintergrund entstand vor zehn Jahren der Gedanke, einen gemeinsamen Ideenwettbewerb über alle hessischen Hochschulen hinweg ins Leben zu rufen. So entstand Hessen Ideen.

Das Konzept kam so gut an, dass wir uns überlegt haben, welche weiteren Angebote man ergänzen könnte. Andere Länder hatten bereits Stipendien für die Vorgründungsphase und auch auf Bundesebene gibt es mit EXIST ein ähnliches Angebot. Wir haben uns dann an die Aufgabe gemacht, für Hessen eine Vorgründungsförderung aufzubauen – aber eben nicht rein finanziell, sondern mit einem begleitenden Accelerator-Programm. Die finanzielle Unterstützung für Gründungsprojekte beträgt monatlich maximal 2.500 Euro und läuft über sechs Monate. Im Accelerator bieten wir in dieser Zeit zusätzlich Workshops, Coaching und Netzwerkveranstaltungen für die Gründerteams an.

Wer steht als Träger hinter Hessen Ideen und wie groß ist das Team?

Annika Strauß: Unser Träger ist das Land Hessen, genauer das Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Koordiniert wird Hessen Ideen von der Universität Kassel und der TU Darmstadt, genauer gesagt von den beiden dortigen Anlaufstellen für Gründungsprojekte, Uni Kassel Transfer und HIGHEST. Das Team von Hessen Ideen besteht aktuell aus sieben Personen.

An wen richten sich die Angebote von Hessen Ideen?

Annika Strauß: Unsere Angebote richten sich an Personen mit Gründungsvorhaben in sehr frühen Phasen. Mindestens eine Person im Gründungsteam muss an einer hessischen Hochschule in einem Master-Studiengang eingeschrieben sein oder vor nicht mehr als fünf Jahren ein Studium an einer hessischen Hochschule abgeschlossen haben. Gleichzeitig muss es sich um eine innovative Geschäftsidee handeln. Für Personen mit solchen Geschäftsideen in einer frühen Phase wollen wir die erste Anlaufstelle sein.

Wie viele Gründerteams hat Hessen Ideen in den vergangenen zehn Jahren begleitet?

Annika Strauß: Für den Hessen Ideen Wettbewerb sind insgesamt mehr als 300 Gründungsprojekte nominiert worden. Über das Stipendienprogramm wurden 198 Gründerteams begleitet und beim Crowdfunding waren es bislang 13 Projekte. Für diese haben wir insgesamt rund 115.000 Euro Kapital einwerben können, wobei sich mehr als 460 Personen als Unterstützerinnen und Unterstützer am Crowdfunding beteiligt haben.

Welche Branchen sind bei Hessen Ideen besonders stark vertreten?

Jörg Froharth: Es gibt tatsächlich keinen Schwerpunkt. Stattdessen sind wir sehr breit aufgestellt. Die Bereiche Social, Tech und Nachhaltigkeit sind alle vertreten. Das ist sowohl eine Chance als auch manchmal eine Herausforderung. Denn die Bedürfnisse der verschiedenen Branchen sind sehr unterschiedlich.

Annika Strauß: Tendenziell kann man sagen, dass Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure in den Gründerteams stärker vertreten sind als Geisteswissenschaftler. Dennoch ist grundsätzlich alles dabei, das geht quer durch alle Fachbereiche der Hochschulen. Das freut uns, denn es zeigt, dass wir es mit Hessen Ideen schaffen, ganz unterschiedliche Bereiche anzusprechen. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Branchen können wir im Einzelcoaching des Stipendienprogramms gut eingehen.

Gibt es Regionen, aus denen besonders viele Teams kommen?

Annika Strauß: Die großen Hochschulen sind auch bei uns im Stipendienprogramm besonders oft vertreten. Das sind zum Beispiel die TU Darmstadt oder die Universität Kassel. Im Wettbewerb ist die Verteilung breiter, da hier fast jede Hochschule Teams für die Teilnahme nominiert.

Welche Hochschulen sind bei Hessen Ideen beteiligt?

Annika Strauß: Alle staatlichen Hochschulen in Hessen sind bei Hessen Ideen aktiv, mit Ausnahme der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste sowie der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, die sich beide eher auf freiberufliche Gründungen als auf Start-ups fokussieren. Auch private, staatlich anerkannte Hochschulen sind teilweise bei Hessen Ideen aktiv, etwa die Frankfurt School of Finance and Management.

Jörg Froharth, Projektleitung Hessen Ideen

Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal ein Female-Stipendium ausgelobt, das sich nur an Gründerteams richtet, die mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sind.

Aktuell werden Start-ups deutlich seltener von Frauen als von Männern gegründet. Was unternimmt Hessen Ideen, um gezielt Gründerinnen zu unterstützen?

Jörg Froharth: Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal ein Female-Stipendium ausgelobt, das sich nur an Gründerteams richtet, die mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt sind. Im Rahmen unserer Jubiläumsfeier am 16. September in Marburg planen wir einen eigenen Female Talk. Wir wollen den Bereich Female Founders in Zukunft noch weiter ausbauen. Dabei wird es auch darum gehen, erfolgreiche Gründerinnen als Vorbilder stärker sichtbar zu machen. Auch das Female-Stipendium möchten wir gerne fortsetzen.

Annika Strauß: Wir möchten außerdem verstärkt Mentorinnen für weibliche Gründerteams gewinnen und Extra-Workshops für Female Entrepreneurship anbieten.

Wie geht es nach der Betreuung durch Hessen Ideen mit den Gründungsprojekten weiter? Aus wie vielen Ideen werden am Ende tatsächlich Start-ups gegründet?

Jörg Froharth: Die Gründungsquote liegt aktuell bei 54 Prozent.

Annika Strauß: Wir versuchen nach dem Ende der Betreuung so gut es geht, mit den Teams in Kontakt zu bleiben. Es gibt Online-Talks, bei denen Alumni ihre Erfahrungen teilen, außerdem sind Alumni bei unseren Events und in unseren Jurys aktiv.

Welche Ideen sind Euch aus den vergangenen zehn Jahren besonders in Erinnerung geblieben?

Jörg Froharth: Ein Highlight war auf jeden Fall Talking Hands, die mittlerweile als Start-up und Gewinner des Frankfurter Gründerpreises auf Plakaten in ganz Frankfurt zu sehen sind. Auch heute erfolgreiche Start-ups wie Biovox, LOVR, Maple Tales, Xeem, dianovi, fisego oder Larabicus haben an Programmen von Hessen Ideen teilgenommen.

Wie sehr verändern sich Gründerteams, während sie bei Euch das sechsmonatige Stipendienprogramm durchlaufen?

Jörg Froharth: Die Teams verändern sich sehr. Wir als Projektleitung sehen die Teams in der Regel ganz zu Beginn des Programms und beim Abschluss-Event, zum Teil auch bei Trainingspitches dazwischen. Wenn man die Leute ganz zu Beginn und dann noch einmal sechs Monate später sieht, fragt man sich manchmal, ob das noch die gleichen Leute sind (lacht). An ganz vielen Dingen, Performance, Slides, Business-Case, merkt man, dass diese Teams in diesem halben Jahr mit sehr vielen Leuten gesprochen, viel Feedback bekommen haben.

Annika Strauß, Projektleitung Hessen Ideen

Gründerinnen und Gründer dürfen bei ihren Ideen Markt und Kunden nicht außer Acht lassen. Es geht nicht nur darum, innovative Ideen zu entwickeln, sie müssen auch realisierbar sein.

Eure persönlichen Do’s and Dont’s: Was müssen Gründerinnen und Gründer mitbringen, um aus einer Idee ein erfolgreiches Start-up zu formen? Und was sollten sie unbedingt vermeiden?

Annika Strauß: Gründerinnen und Gründer dürfen bei ihren Ideen Markt und Kunden nicht außer Acht lassen. Es geht nicht nur darum, innovative Ideen zu entwickeln, sie müssen auch realisierbar sein. Es kommt vor, dass in den sechs Monaten unseres Stipendienprogramms Geschäftsideen angepasst und umformuliert werden. Für solche Anpassungen offen zu sein, ist sehr wichtig.

Jörg Froharth: Das Miteinander im Team ist sehr wichtig. Teams sollten daher frühzeitig darüber sprechen, wie sie miteinander umgehen, wenn es mal nicht so gut läuft. Dabei geht es vor allem darum, die gegenseitigen Erwartungshaltungen abzuklopfen. Wenn der eine Freitagsnachmittags gerne surfen geht und der andere die Wochenenden durcharbeiten will, können Konflikte entstehen. Das lässt sich vermeiden, indem man Kompromisse findet – und zwar frühzeitig, bevor es schlecht läuft.

Jörg Froharth, Projektleitung Hessen Ideen

Das Miteinander im Team ist sehr wichtig. Teams sollten daher frühzeitig darüber sprechen, wie sie miteinander umgehen, wenn es mal nicht so gut läuft.

Zum Jahresende läuft die Finanzierung für Hessen Ideen aus. Ist schon klar, wie es weitergeht?

Jörg Froharth: Noch ist nicht klar, wie es weitergeht, aber wir hoffen, dass wir weitermachen können. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren mit Hessen Ideen eine großartige Reise zurückgelegt und hoffen darauf, dass wir an diese Arbeit weiter anknüpfen können.

Wie wird das Jubiläum von Hessen Ideen gefeiert?

Annika Strauß: Wir feiern am 16. September mit einem großen Event im Lokschuppen in Marburg, bei dem wir unser Sommerfest und die Preisverleihung des Hessen Ideen-Wettbewerbs miteinander verbinden. Außerdem gibt es an diesem Tag eine Start-up-Ausstellung, Talks und eine Panel-Diskussion, an der unter anderem der hessische Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels, teilnimmt.

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